Warum Street-Fotografie mit dem Smartphone?
Street-Fotografie lebt davon, unauffällig zu bleiben. Große Kameras mit fetten Objektiven wirken oft wie ein Magnet – Menschen verändern ihr Verhalten, sobald sie merken, dass sie fotografiert werden. Smartphones hingegen? Die sind allgegenwärtig. Niemand nimmt Notiz davon, wenn man eines in der Hand hält. Genau das macht sie zu einem perfekten Werkzeug für authentische Street-Fotografie – besonders, wenn man im RAW-Format arbeitet und bereit ist, in der Nachbearbeitung noch etwas Zeit zu investieren.
Mein POCO M6 Pro ist ein günstiges Einsteigergerät – und definitiv kein Kamera-Wunder. Mein eigentliches Smartphone für den Alltag ist das iPhone 16 Pro. Natürlich habe ich das iPhone vor allem wegen seiner herausragenden Kamera gekauft. Doch manchmal macht es Bilder in einer Qualität, die schon wieder zu gut für die Street-Fotografie ist. Manchmal wünsche ich mir Bilder, die nicht so unglaublich knackscharf und detailliert sind. Manchmal möchte ich Bilder, die etwas organischer und natürlicher wirken. Und ich wollte es mal ausprobieren, wie es ist, mit einem dieser Budget-Smartphones zu fotografieren. Was kann ich aus diesem Gerät herausholen, wenn ich möglichst alles manuell steuere und es wie eine „echte Kamera“ behandle?
Die Technik: POCO M6 Pro, Open Camera & DNG
Ich nutze die App Open Camera, weil sie mir manuelle Kontrolle gibt: Belichtung, ISO, Fokus, Weißabgleich – alles lässt sich gezielt einstellen. Wichtig war mir vor allem die Möglichkeit, im DNG-Format zu fotografieren. Kein glattpoliertes JPEG, keine Software-Spielereien. Nur das rohe Bildmaterial, das ich später in Lightroom Classic bearbeiten kann.
Ich stelle Open Camera so ein, dass ich ein 3×3-Raster sehe, um die Komposition exakt zu kontrollieren – Drittelregel, Linienführung, Symmetrie. So gehe ich bewusst fotografisch an meine Motive heran, auch wenn ich nur ein Smartphone benutze.

Düsseldorf: Altstadt, Kasematten, Schadowstraße
Es war einer dieser Tage, an denen Düsseldorf einfach strahlt: sonnig, klar, lebendig. Perfektes Licht für Street-Fotografie – harte Schatten, kräftige Farben, interessante Kontraste. Viel Trubel, viele Menschen, viele Gelegenheiten zum Fotografieren.
Ich starte meinen Fotospaziergang in der Altstadt, wo zwischen schmalen Gassen, Cafés und Kopfsteinpflaster die ersten Motive auf mich warten: eine ältere Dame, die mit einer Zeitung auf dem Boden sitzt; eine Gruppe junger Menschen mit Altbier in der Hand; ein Lieferfahrer, der sich geschickt durch die Passanten schlängelt. Ich fotografiere schnell, intuitiv, ohne Zoom – so, wie ich es mit einer Festbrennweite auch tun würde.
Weiter geht’s zu den Kasematten am Rhein. Das Licht spiegelt sich auf dem Wasser, Menschen flanieren entspannt entlang der Promenade. Ich beobachte eine Gruppe Jugendlicher, die lachend in der Sonne sitzt – die Szene wirkt fast inszeniert. Im RAW-Format halte ich die Stimmung fest, auch wenn das Smartphone-Display bei direkter Sonne schwer abzulesen ist. Erfahrung hilft hier: Ich weiß, dass ich die Belichtung später noch feinjustieren kann.
Die Schadowstraße ist mein letzter Stopp. Zwischen Glasfassaden, Werbetafeln und Großstadt-Hektik entdecke ich mein Highlight dieses Fotowalks: ein junges Mädchen spielt auf einem improvisierten Klavier. Zunächst wartet sie geduldig, bis ihre Begleiter ihr die Tasten freigeben. Auf dem ersten Foto wirft sie mir noch einen Blick zu, lässt sich danach aber nicht mehr stören. Da sie noch zu klein ist, um die Pedale zu erreichen, helfen ihr ihre Begleiter. In dieser Szene zeigt sich die Stärke der Street-Fotografie mit dem Smartphone besonders deutlich – ich bin schnell, unauffällig, beweglich. Ohne große Kameraausrüstung wirke ich wie ein ganz normaler Passant, der zufällig das Klavierspiel einfängt.
Nachbearbeitung: Lightroom Classic
Die RAW-DNGs importiere ich abends an meinem Rechner in Lightroom Classic. Ganz so, als hätte ich mit einer dedizierten Kamera fotografiert. Hier entfaltet sich der eigentliche Zauber. Ich korrigiere Belichtung, ziehe die Tiefen hoch, dunkle Lichter ab, bringe Kontraste ins Spiel. Die Bildqualität überrascht mich: Klar, bei weitem nicht auf Vollformat-Niveau, schnell überlastet bei Gegenlicht, und ein Dynamikumfang, der aufgrund des kleines Sensors schnell an seine Grenzen kommt. Aber dennoch: die Ergebnisse sind erstaunlich detailreich für ein günstiges Smartphone. Besonders Schwarzweiß-Umsetzungen funktionieren hervorragend – ein Look, der Street-Fotografie ohnehin gut steht.




Fazit: Gute Street-Fotografie braucht kein teures Equipment!
Der Tag in Düsseldorf hat mir erneut gezeigt: Gute Street-Fotografie beginnt nicht bei der Kamera, sondern beim Sehen. Wer bereit ist, sich auf Licht, Komposition und Moment zu konzentrieren, kann auch mit einem günstigen Smartphone großartige Ergebnisse erzielen.





Natürlich gibt es Grenzen – bei Low Light oder schnellen Bewegungen stößt das POCO M6 Pro technisch an seine Limits. Aber für ruhige, bewusst komponierte Street-Motive ist es ein erstaunlich gutes Werkzeug, vor allem in Kombination mit RAW-Aufnahmen und etwas Liebe in der Nachbearbeitung.
Ich kann nur ermutigen: Wer mit Street-Fotografie anfangen will, braucht kein teures Equipment. Nutzt euer Smartphone – holt euch eine App wie Open Camera, stellt auf RAW, denkt fotografisch, und ihr werdet sehen: Die Straße gehört euch.
Mein Beitrag zum Buch „Fotografieren mit dem Smartphone“ (Rheinwerk Verlag)

Ich hatte die Freude, als erster Autor an dem Buch „Fotografieren mit dem Smartphone“ mitzuwirken, das bald im Rheinwerk Verlag erscheinen wird. In der Anfangsphase habe ich grundlegende Inhalte, Kapitelstrukturen und erste Texte entwickelt – mit dem Ziel, ein praxisnahes Buch für alle zu schaffen, die mit dem Smartphone bewusst und kreativ fotografieren möchten.
Mein Kapitel liegt dabei besonders auf der Street-Fotografie: spontane Motive, echte Situationen, direkt aus dem Leben. Ich zeige, wie man mit dem Smartphone intuitiv arbeitet, Momente einfängt und dabei mit Licht, Perspektive und Komposition spielt – ganz ohne aufwendige Technik. Dass das Buch schließlich im Team mit weiteren Autor:innen vollendet wurde, freut mich umso mehr – es ist ein facettenreicher Ratgeber für alle geworden, die ihre Smartphone-Fotografie auf das nächste Level bringen möchten.
Wenn du dich für Fotografie interessierst – ganz besonders mit dem Smartphone – dann ist dieses Buch genau das Richtige für dich. Unterstütze meine Arbeit und hol dir dein Exemplar: