2025-08-20

Foto-Expedition unter der Stadt: Mit dem Laowa 6mm in Bochums Untergrund

Wenn man an Orte für spannende Architekturfotografie denkt, kommen einem vielleicht moderne Hochhäuser, Industrieruinen oder ikonische Bauwerke in den Sinn. Ich dagegen bin unter die Erde gegangen – in die U-Bahn-Station Lohring in Bochum. Mein Ziel: Die nüchterne Funktionalität dieses Ortes mit einem extremen Ultraweitwinkelobjektiv einzufangen und daraus eine Serie atmosphärischer Low-Key-Schwarzweißbilder zu machen.

Ein Ort, den täglich viele Menschen durchqueren – und dabei kaum bewusst wahrnehmen. Doch mit der richtigen Ausrüstung und einem wachen Blick offenbaren sich hier geradezu surreale Szenerien.

Architektur trifft Raumzeitgefühl

Der erste Eindruck der Station Lohring ist kühl und funktional, fast schon brutalistisch – doch das Licht, das dort unten auf die Metall- und Betonflächen trifft, schafft eine Atmosphäre, die mich sofort an das letzte Bild von 2001: Odyssee im Weltraum erinnert. Der Boden reflektiert schwach, fast so, als hätte jemand den Kosmos ausgebreitet.

Ich bin mit meiner Olympus E-M10 Mark IV unterwegs, bestückt mit dem Laowa 6mm f/2 Zero-D – einem Ultraweitwinkel, das in Sachen Perspektive buchstäblich neue Räume aufreißt. Mit 6mm (entspricht ca. 12mm KB) lassen sich ganze Wände kippen, Linien explodieren, Räume aufbrechen. Wer Kontrolle liebt, braucht hier einen klaren Plan. Wer experimentieren will, bekommt visuelle Überraschungen.

Obwohl die Station in leicht gesättigten Komplementärfarben leuchtet (das obere Bild wurde in der Nachbearbeitung stark nachgesättigt) – Rot, Grün – ignoriere ich sie diesmal bewusst. Ich will den Charakter dieser Umgebung auf ihre Struktur und Haptik reduzieren: Low Key, Schwarzweiß, kontrastreich, fast grafisch. Die Farbe hätte nur gestört. So lenken nur Licht und Schatten, Form und Fläche. Es war eine Entscheidung gegen den offensichtlichen Reiz – und für das Unsichtbare.

Technik & Einschränkungen

Das Laowa ist ein Spezialist: Keine elektronische Kommunikation, manueller Fokus, kein Filtergewinde – was bedeutet: keine ND-Filter möglich. Belichtungen jenseits der 6 Sekunden werden je nach Lichtsituation schwierig, zumindest ohne spezielle Tricks. Hinzu kommt, dass das Objektiv ab f/16 sichtbar weichzeichnet, also heißt es: Blende 5.6 bis 11 – das ist die Schärfezone. Glücklicherweise liefert das Glas in diesem Bereich herausragende Schärfe und mikrokontrastreiche Details, gerade in Kombination mit dem Olympus-Sensor.

Der Fokus sitzt dank Fokus Peaking und der Live-Ansicht der E-M10-IV meist direkt. Bei 6mm verzeiht mancher Zentimeter Toleranz sowieso – aber ich wollte es genau. Und das wurde belohnt.

Das Setting: GorillaPod & Improvisation

Die meiste Zeit arbeite ich mit einem kleinen GorillaPod, den ich auf Geländern und Böden positioniere. In einer menschenleeren Station ist das wie meditatives Arbeiten – Zeit, Geduld, Entscheidung. Die Belichtungszeiten liegen meist zwischen 4 und 6 Sekunden, je nach Licht. Die Stimmung: unterirdisch ruhig. Keine Eile. Kein Wind. Kein Zittern. Es sei denn, eine U-Bahn fährt ein – die Luft bewegt sich, es wird laut, der Boden vibriert.

Das letzte Bild des Tages allerdings habe ich freihand bei 6 Sekunden geschossen – einfach, um zu sehen, wie weit ich gehen kann. Und was soll ich sagen: Großes Lob an den IBIS (In-Body Image Stabilizer) der Olympus. Das Bild ist nicht messerscharf – aber künstlerisch absolut brauchbar. Für ein 6-Sekunden-Freihandbild ist das schlicht beeindruckend.

Historie im Hintergrund

Die Station Lohring wurde 1989 eröffnet – als Teil des Projekts Stadtbahn Rhein-Ruhr. Ihre Funktionalität steht im Vordergrund, doch gerade das macht sie spannend für die Fotografie. Keine übertriebene Gestaltung, keine Inszenierung. Einfach Raum. Beton. Metall. Licht.

Fazit: Die Tour war kein klassisches „Shooting“, eher ein visuelles Eintauchen. Die Kombination aus Ultraweitwinkel, manueller Arbeit, Low-Key-Schwarzweiß und einer ungewöhnlichen Location hat etwas fast Meditatives. Wer bereit ist, auf Farbe und Perfektion zu verzichten, bekommt etwas anderes: Tiefe, Charakter und vielleicht sogar ein bisschen Raum-Zeit-Verlust.

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